Der Silberfuchs meiner Mutter
Die Geschichte eines Lebensborn-Kindes – „Er muss sich inszenieren, um sich selbst zu finden“
Der Silberfuchs selbst taucht erst auf Seite 160 des 220 Seiten zählenden Romans von Alois Hotschnig auf. Und dennoch trägt der Roman den Titel „Der Silberfuchs meiner Mutter“. Das Pelzchen steht für eine bestimmte Zeit und Konstellation: „Unsere Soldaten, ich kann ja sagen unsere Soldaten, die in Norwegen stationiert waren, sagte er, die haben ihren Bräuten oder Frauen so einen Pelz zum Geschenk gemacht, einen Silberfuchs, hat man gesagt. Halb Hohenstein hat am Sonntag so einen Silberfuchs in die Kirche getragen. Und die andere Hälfte, die Männer, die waren in Norwegen oben. So einen Silberfuchs trug auch die Norwegerin.“
Die Norwegerin ist die Mutter des Protagonisten Heinz Fritz (so der Name im Roman, angelehnt an den österreichischen Schauspieler Heinz Fitz). Gerd lernte in Kirkenes im Jahr 1942 einen österreichischen Soldaten kennen und lieben, wurde schwanger und mithilfe des SS-Lebensborn zur österreichischen Familie des Kindsvaters geschickt. Damit beginnt das schwierige Leben von Heinz. Die Vatersfamilie nimmt die Norwegerin nicht auf. Diese erkrankt, der Sohn wird zu Pflegeeltern gegeben, die Mutter begibt sich nach ihrer Entlassung aus der „Anstalt“ auf die Suche nach dem Kind. Das geglaubte Fündigwerden („Bist Du es, oder bist Du es nicht?“) markiert den Anfang einer sehr schwierigen und komplizierten Beziehung und zugleich – trotz aller Widernisse – einer großen Liebe zwischen Mutter und Sohn.
Der gebürtige Kärtner und Wahl-Innsbrucker Alois Hotschnig ließ in seiner Lesung im Haus der Wissenschaft Szenen dieser vergangenen Zeit erstehen. Moderator Dr. Bernd Schulte hatte den Gästen in der Villa Sauer bereits zu Beginn geraten: „Sie müssen sich für die Lektüre dieses Romans Zeit nehmen.“ Heinz (vermutlich benannt nach Heinrich Himmler) findet keine Basis für Stabilität. Der Vater verleugnet ihn in Österreich (er sei der Sohn eines ertrunkenen Russen), die Mutter erkrankt an Epilepsie und lässt ihren Zweifeln an der Herkunft des Jungen freien Lauf. Hotschnig: „Die Mutter wusste sich nicht anders zu helfen“. Bernd Schulte: „Heinz hat keine Chance für eine stabile Wirklichkeit. Er muss sich inszenieren, um sich selbst zu finden. Deshalb wird er Schauspieler.“
Eine Sendung im österreichischen Fernsehen über den Lebensborn weckte das Interesse von Alois Hotschnig. Von Heinz Fitz erhielt er die Freiheit, aus der erzählten Lebensgeschichte „zu machen, was Du möchtest“. Hotschnig begab sich auf akribische Spurensuche: „Mich hat fasziniert, über die Bande der Kunst und eines Spiegels zu erzählen.“ Dennoch gab es schwierige Momente: „Ich habe Heinz gefragt, wo bleibt das Positive?“ Antwort: „Du bist der Autor.“ Und so entstand ein Roman, der trotz einer extremen Mutter-Kind-Beziehung durchweht ist von Zärtlichkeit. Hotschnig: „Heinz hat entschieden, dass Gerd(a) seine Mutter ist. Es ist eine ganz enorme Liebe trotz dieser Schwierigkeiten.“
Alois Hotschnig hat es verstanden, mit seiner Lesung und vor allem mittels Erzählens aus der Recherchezeit sein Publikum zu fesseln und zu faszinieren.