„Die Sprache ist meine Freundin“
Fernando Aramburu las bei InternationalPoetry im Haus der Wissenschaft aus seinem neuen Roman „Die Mauersegler“
„Ich bin ein strikter, disziplinierter Bücherwurm geworden“, bringt Fernando Aramburu seinen Werdegang als Erfolgsautor mit einer guten Portion Humor auf den Punkt. Und weiter: „Man braucht nicht nur Wörter, sondern Geschichten.“ Damit verbunden war mit einem Augenzwinkern eine Warnung ans Publikum im Foyer des Hauses der Wissenschaft der Universität Siegen in der Villa Sauer: „Es kann sein, dass Sie in einem meiner Bücher auftauchen." Fernando Aramburu war aus seiner Zweitheimat Hannover nach Siegen gekommen, um bei InternationalPoetry seinen neuen Roman „Die Mauersegler“ vorzustellen. Moderiert wurde die Lesung von Dr. habil. Isabel Maurer Queipo.
„Die spanische Sprache ist das tollste Spielzeug, das ich jemals hatte“, so der Autor und vormalige Lehrer, der 1959 in San Sebastián im Baskenland geboren wurde. „Deutsch war sehr nützlich, um meine eigene Muttersprache zu lernen.“ Und weiter: „Die Sprache ist meine Freundin. Ich vertraue ihr und sie hilft mir.“ Aramburu schreibt „für andere Menschen, auch, wenn ich diese nicht kenne". Von seinem Schreibtisch aus und über seinen Kaktus hinweg denkt er an seine Leser. „Meine fertigen Bücher lese ich nicht mehr. Ich habe Angst, etwas Falsches zu finden.“
Werden seine Themen für Theater oder Film bearbeitet, lässt er den Verantwortlichen freie Hand: „Ich schaue ihnen dabei nicht über die Schulter.“ Seit 2009 ist Fernando Aramburu hauptberuflicher Schriftsteller. 2016 erschien sein preisgekröntes Werk „Patria“, ein Familien- wie auch Gesellschaftsroman in Zeiten der ETA, das in 34 Sprachen übersetzt worden ist. Aramburu im Rückblick: „Keines meiner Bücher war vorab auf der Bestsellerliste.“ In Spanien sei vor Drucklegung eine Auflage von 20.000 Exemplaren geplant worden. Aramburu fragte die Verleger: „Seid Ihr verrückt?“ Einige Bücher seien im Weihnachtsgeschäft über die Tresen gegangen: „Nach Weihnachten ging es dann los, dass die Politiker über das Buch sprachen. Das Buch wurde schnell zu einem sozialen Phänomen.“ Aus den geplanten 20.000 Exemplaren wurden 400.000. Der Autor: „Ich hoffe, dass das Buch gut ist. Das war aber nicht vorgeplant.“ Über 100 Wochen lang stand der Roman auf Platz 1 der spanischen Bestsellerliste. Aramburu: „Für mich war das ziemlich turbulent, auch mit Blick auf mein Privatleben.“ Der Autor ist seit 1985 in Hannover daheim und mit einer Deutschen verheiratet. Mit Social Media sei ein Mensch überall erreichbar, lautet sein Fazit: „Fast alle Kontakte waren nett.“ Nach dieser Erfahrung habe er sich eine Fünf-Jahres-Frist bis zum nächsten Roman gesetzt.
Der ist nun auf dem Markt und von den Kritikerinnen und Kritikern hochgelobt. „Die Mauersegler“ ist ein humanistischer Roman über einen Mann namens Toni. Toni kündigt seinen Selbstmord an. Der 1. August 2018 ist der erste Tag seines restlichen Lebens. Das Buch ist Chronik eines Countdowns und umfasst 365 Kapitel - eines für jeden Tag bis zu seinem geplanten Tod am 31. Juli 2019. Diese Unterteilung, so Isabel Maurer Queipo, erleichtere die Lektüre des 830-Seiten-Werkes: „Wir können in Häppchen lesen.“ Die Moderatorin: „Die Ankündigung des Selbstmords ist ein Cliffhanger. Wir fragen uns, ob er es tun wird.“ Denn: Toni lernt eine Frau kennen, deren Hund Toni heißt, und die unter einer mysteriösen Krankheit leidet. Aramburu: „Das gehört ein wenig zum perversen Spiel, dass Geheimnisse geheim bleiben.“
Fernando Aramburu las in der Villa Sauer das Kapitel vom 6. Juli 2019 in Spanischer Sprache, Isabel Maurer Queipo aus der deutschen Übersetzung von Willi Zurbrüggen. Gegenstand der Erzählung sind anonyme Nachrichten, die Toni regelmäßig in seinem Briefkasten findet. Er stellt Vermutungen an, von wem diese stammen könnten. Zudem wandert Toni, der von Beruf Philosophielehrer ist, durch die Stadt (Madrid) und versteckt seine Bücher, damit diese neue Besitzerinnen und Besitzer finden können und nicht verloren gehen. Aramburu: „Er verteilt seine Bibliothek in der Stadt und verfällt nicht in Nihilismus.“ Aramburu zum Anstoß, „Die Mauersegler“ zu schreiben: „Der Mann weiß, wie lange er zu leben hat. Das geht nur im Roman.“
Das Publikum – darunter etliche aus Spanien stammende Mitbürgerinnen und Mitbürger, war von der Lesung fasziniert und nutzte die Gelegenheit zum Austausch mit dem Schriftsteller. Das Format InternationalPoetry wird von der Christa-und-Dieter-Lange-Stiftung finanziert.