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Ein Lebensbericht in "leichter Sprache" auf WhatsApp

Die Autorin Cristina Morales lenkte den Blick auf soziale Probleme in Spanien

Cristina Morales ist mit Blick auf die politischen und sozialen Strukturen ihres Heimatlandes Spanien eine kritische Stimme. Das wird auch in ihrem neuen Roman „Leichte Sprache“ deutlich. Diesen stellte die Autorin im Rahmen des Formats InternationalPoetry des Hauses der Wissenschaft der Universität Siegen vor. Eingeladen worden war Cristina Morales von Prof.in Yasmin Temelli. Für die Übersetzung standen zudem Dr. Javier Ferrer Calle und Hans Bouchard von der Philosophischen Fakultät bereit.

Die Autorin wurde 1985 in Granada geboren und studierte Jura und Politikwissenschaft. 2013 veröffentlichte Cristina Morales ihren ersten Roman. 2018 erschien „Leichte Sprache“ auf Spanisch, 2022 in deutscher Übersetzung. Für diesen Roman erhielt sie 2022 den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt. Morales ist zudem als Theaterautorin aktiv, als Tänzerin und Choreografin sowie als Produzentin einer Punkband.

Ihr Roman „Leichte Sprache“ handelt von vier Frauen im Alter zwischen Anfang 30 und Anfang 40, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung im betreuten Wohnen im gentrifizierten Barcelona leben und beschließen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Marga ist Analphabetin und sexuell überaus aktiv, Àngels stottert, Patri hat Logorrhö. In integrativen Tanzgruppen und in der Hausbesetzerszene Barcelonas versuchen die Frauen, sich von der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und Justiz zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So scharfsinnig wie wütend demaskiert die Tänzerin Nati die Ideologie der nach den Vorstellungen der „neoliberalen Macho-Faschos“ funktionierenden Gesellschaft, ihre Cousine Àngels entdeckt mit „leichter Sprache“ ein Instrument der Teilhabe und verfasst ihre Lebensgeschichte auf WhatsApp mit erstaunlicher Poesie. Die Autorin: „Eventuell bedürfen die Frauen keiner staatlichen Fürsorge, sondern entsprechen nur nicht den geltenden Normen.“ Aus diesem Grunde empfinde der Leser voraussichtlich Sympathie mit Nati, Marga, Àngels und Patri. Cristina Morales: „Sie rebellieren gegen die Fremdbestimmung.“

Die Entstehung dieses Romans, so die Autorin, sei „eine Art Unfall“ gewesen. Eigentlich habe ihre ein Stück zur Mythologie des Tanzes vorgeschwebt. Sie selbst habe erfahren, dass der moderne Tanz ganz andere Präsentationsformen wählen könne, „die nicht unbedingt schön sind, aber aussagekräftig“. So entwickelte sich die Idee der Roman-Handlung. Dieser beinhaltet reichlich Sozialkritik, beispielsweise mit Blick auf fehlende Sozialwohnungen in Spanien – die Quote liegt bei nur 2,5 Prozent, der europäische Schnitt bei 15 Prozent. In 2021 waren etwa 87.000 Wohnungen in Spanien besetzt. Der Grund ist Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das Thema spiegelt sich im Roman in einem Gesprächsprotokoll anarchistischer Okkupanten wider.

Der Lesung schloss sich eine rege Diskussion an, in der es sich unter anderem um die Frage drehte, wie Männer mit geistiger Behinderung in Spanien leben. Diese, so Cristina Morales, lebten zumeist in ihren Familien oder – falls möglich - alleine. Sie besäßen mehr Freiheiten als Frauen.