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„Die Idee der Freiheit macht den Unterschied.“
Feierliche Eröffnung des Sommersemesters der Mittwochsakademie: Seminare starten am 8. Mai
„Freiheit“ – unter diesem Obergriff steht das Wissenschaftsjahr 2024. Das Thema dominierte auch die Feierliche Eröffnung des Sommersemesters der Mittwochsakademie. Sowohl der musikalische Rahmen – gestaltet von Gerrit Schwan und Marco Hoffmann – als auch der Festvortrag von Prof. Dr. Michael Bongardt „Freiheit – Wunsch oder Wirklichkeit? Eine philosophische Spurensuche“ stellten das Thema in den Mittelpunkt.
Begrüßt wurden die Gäste in der Aula des Kulturzentrums Lÿz Von Prorektorin Dr. Barbara Müller-Naendrup und Prof. Dr. Stephan Habscheid als wissenschaftlichem Leiter der MiAk. Für die Prorektorin für Lehrkräfte, Weiterbildung und Nachhaltigkeit war es das erste Grußwort ihrer Amtszeit. Barabara Müller-Naendrup unterstrich, dass Freiheit und Demokratie eng zusammenhängen und die Sensibilisierung für diese Werte primär in Bildungskontexten geschehen könne und müsse. Daher sei auch die Arbeit im Rahmen der Mittwochsakademie wichtig. Die Prorektorin zitierte den französischen Philosophen Albert Camus: „Es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis.“
Prof. Habscheid bezeichnete die „Freiheit“ als gleichermaßen „elementares“ wie „großes“ Thema“. Das Wissenschaftsjahr 2024 stehe aus zwei Gründen unter diesem Oberthema: Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt, vor 35 Jahren gelang die friedliche Revolution gegen das SED-Regime. Bei der Antwort auf die Frage, wie resistent unsere Demokratie in Anbetracht der Vielzahl aktueller Krisen sei, orientierte sich Habscheid am Königsberger Philosophen Immanuel Kant, dessen Geburtstag sich 2024 zum 300. Mal jährt: Wichtig sei der selbstständige, vernünftige Mensch, der die Freiheit zur Selbstbestimmung besitze, verstanden als Freiheit zur bewussten Befolgung der von der Vernunft vorgegebenen Gesetze: „Gerade in unsicheren Zeiten“, so Habscheid mit Bezug auf Marcus Willaschek, „können wir uns mit Kant vor Augen führen, dass wir unsere Zukunft prinzipiell selbst in der Hand haben – aber auch der Bildung bedürfen, um zu unabhängigen moralischen Subjekten zu werden. An dieser unerschöpflichen Aufgabe setzen „Mittwochsakademie“ und „Forum Siegen“ traditionsgemäß an.“
Prof. Dr. Michael Bongardt forscht und lehrt seit 2016 am Seminar für Philosophie der Universität mit den Schwerpunkten Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie. Bongardt: „Ich freue mich, mit Ihnen über Freiheit nachdenken zu dürfen.“ Den Diskussionen aus dem politischen Raum sei zu entnehmen, „dass unsere Freiheit wichtig ist“. Und weiter: „Wir wollen frei sein und halten uns in der Regel für frei. Wir verstehen uns als einzelne Menschen, die wählen können und haben den Anspruch an uns, unser Leben zu gestalten.“ Freiheit in diesem Sinne gelte als einer der Grundimpulse unseres Selbstverständnisses.
Allerdings sei damit auch die kritische Frage verbunden: „Was bilden wir uns ein, wenn wir uns für frei halten?“ Der Apostel Paulus schreibe im Römerbrief von seiner Ratlosigkeit, weil er das Böse tue, das er nicht wolle, und nicht das Gute, das er wolle. Kann der Mensch frei entscheiden, oder sind Menschen in ihren Entscheidungen determiniert? Wer einen Menschen gut kennt, kann nicht selten erahnen, welche Entscheidung dieser Mensch in einer kniffligen Situation trifft. Die Gehirnforschung beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob wir in Situationen bewusst entscheiden, oder ob das Gehirn diese Aufgabe ohne unser Bewusstsein wahrnimmt. In einem Experiment war bei Menschen, die zur Fragenbeantwortung einen Buzzer drücken sollten, der Hirnimpuls früher messbar als die bewusste Entscheidung zum Buzzerdrücken. Laufen demnach Entscheidungsprozesse im Gehirn ab, ohne dass der Mensch darauf Einfluss nehmen kann? Wie wäre es in diesem Fall um unsere Freiheit bestellt?
Möglicherweise hilft eine philosophische Sichtweise weiter. Bongardt: „Freiheit ist der Bereich unseres Handelns, der weder durch Zufälle noch durch Zwang bestimmt ist.“ Positiv könne Freiheit verstanden werden als Selbstbestimmung. Das bedeute zum einen: „Ich selbst treffe Entscheidungen und setze diese in die Tat um.“ Zum anderen heiße das: „Mit meinen Entscheidungen und Taten bestimme ich, wer ich selbst bin und sein will.“ Das Selbst entwickele sich also durch Entscheidungen weiter. Freiheit im Sinne obiger Selbstbestimmung und auch von Determination (Alles, was wir geworden sind, ist als Erinnerung in unserem Gehirn gegenwärtig. All das fließt in den Entscheidungsprozess unseres Gehirns bewusst oder unbewusst ein – und führt zu einem Ergebnis, das durch unser aktuelles Selbst schon festgelegt ist) seien kein Widerspruch: „So lange ich selbst bestimme, bin ich frei. Unser Bewusstsein ist in diesem Prozess nicht die erste und nicht die letzte Instanz“. Und abschließend: „Freiheit ist eine Idee der Selbstbestimmung, ist die Fähigkeit, wählen zu können, auch zwischen Gut und Böse. Unsere Idee der Freiheit ist ebenfalls im Gehirn gespeichert und hat Einfluss auf unsere Entscheidungsprozesse.“ Bongardt: „Die Idee der Freiheit macht den Unterschied.“