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„Es lohnt, sich für diese Demokratie einzusetzen“
Der YouTuber und Kommunikator Mirko Drotschmann war zu Gast bei „Samstags um 12“ an der Uni Siegen
Rund 200 Jahre dauerte es, bis Deutschland in seinen heutigen Grenzen eine Demokratie wurde – etwa von der Französischen Revolution 1789 bis zum Mauerfall zwischen den beiden deutschen Staaten 1989. Eine lange Zeit auch des Kämpfens und Streitens, der Niederlagen und erneuten Anläufe. „Kampf um Freiheit. Deutschlands Weg zur Demokratie“ lautete der Titel des Wissenschaftskommunikators Mirko Drotschmann bei „Samstags um 12“ (Haus der Wissenschaft) im Rahmen der Offenen Uni am Campus Unteres Schloss in Siegen. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit „Forum Siegen“ statt.
Rund 500 Besucherinnen und Besucher lauschten im Schadeberg-Hörsaal dem Vortrag Drotschmanns und diskutierten im Nachgang mit dem bekannten YouTuber und TerraX-Moderator. Selbstverständlich durften zum Anschluss auch Selfies mit dem bekannten Gast nicht fehlen.
ZUm Thema: Das Streben nach Demokratie keimte in Deutschland mit dem Beginn der Französischen Revolution. Von März bis Juli 1793 existierte im linksrheinischen Gebiet zwischen Landau und Bingen die sogenannte „Mainzer Republik“. Unter französischem Regiment gab es Wahlen zu einem Deutschen Nationalkonvent. Der Rheinisch-Deutsche Freistaat wurde mit 30 Kanonenschüssen begrüßt, war aber nicht von langer Dauer. Mainz ergab sich am 22./23. Juli den preußischen Belagerern. Erarbeitet worden war binnen weniger Wochen die Vorstufe einer Verfassung, in der das Volk als Souverän verankert ist.
1794 wurden die linksrheinischen Gebiete erneut von Napoleon eingenommen. Nach seiner Niederlage bei Waterloo und mit dem Wiener Kongress war es erst einmal um die freiheitlichen Bewegungen in Deutschland geschehen. Die Restitution setze ein.
Bevölkerungszuwachs und Verarmung sowie wirtschaftliche Unzufriedenheit führten dazu, dass es in den 1840er Jahren in Europa erneut gärte. Und wieder sprang der Funke von Frankreich nach Deutschland über. Monarchen und Fürsten mussten 1848 auf Forderungen nach Demokratisierung eingehen. In der Frankfurter Paulskirche rangen vor allem gut gebildete Männer um eine Verfassung. Doch auch diese Bewegung scheiterte. Drotschmann: „Einzelne Errungenschaften aber bleiben bestehen“.
Der weitere Weg Deutschlands führte über die Kaiserkrönung von Versailles m Jahr 1871 bis hin zum Ersten Weltkrieg und der Niederlage des Deutschen Reichs. In der Folge herrschte bittere Armut in Deutschland. Die Unzufriedenheit wuchs – keine guten Voraussetzungen für die Weimarer Republik. Gewählt wurde Anfang 1919. Erstmals hatten auch Frauen das Wahlrecht. Rund 83 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung stimmten ab, in der „Mainzer Republik“ von 1793 waren dies gerade einmal 8 Prozent gewesen. Drotschmann: „Die Staatsgewalt sollte beim Volk liegen. Die Verantwortlichen haben mit Blick auf die Verfassung in die USA, nach Frankreich und auf die Paulkirchenverfassung von 1848 geschaut.“ Und: „Die Menschen haben sich einen starken Ersatz-Kaiser gewünscht.“ So entstand das Amt des Reichspräsidenten.
Friedrich Ebert unterschrieb die Verfassung am 11. August 1919 in Schwarzburg in Thüringen. Drotschmann: „Die Demokratie stand von Anfang an unter Beschuss.“ Der Versailler Vertrag, zu zahlende Reparationen, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise und große Armut führten dazu, „dass die Menschen wieder empfänglich waren für Propaganda“. Das erkannte Ende der 1920er Jahre auch Joseph Goebbels. Er propagierte die Zerschlagung der Demokratie mit ihren eigenen Mitteln, aus dem Reichstag heraus. Als Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannte, war es 1933 um die freiheitliche Verfassung geschehen.
Infolge des Naziregimes und des von diesem ausgelösten 2. Weltkrieg verloren über 60 Millionen Menschen ihr Leben, weite Teile Europas und der Welt waren zerstört, Deutschland wurde geteilt. Nach Kriegsende galt es, unter Regie der drei Westmächte in Westdeutschland Verfassungen zu erarbeiten und Parlamente zu wählen. Das Grundgesetz erwuchs aus dem Parlamentarischen Rat, dem 61 Männer und vier Frauen angehörten. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, lautet auf der Basis vor allem der Erfahrungen aus der Zeit des Terrorregimes der Nationalsozialisten § 1 des Grundgesetzes.
Das Grundgesetz galt als Provisorium bis zu einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Die Mauer fiel 1989 – das Grundgesetz gilt seit dem 3. Oktober 1990 für die gesamte Bundesrepublik Deutschland, inklusive der „neuen“ Bundesländer. Das Fazit Drotschmanns: „Mit Blick auf die zurückliegenden 200 Jahre lohnt es, sich für diese Demokratie einzusetzen.“ Auch heute gebe es wieder wirtschaftliche Schwierigkeiten und Unzufriedenheit. Drotschmann: „Der Unterschied zu Weimar besteht darin, dass es heute viel mehr überzeugte Demokratinnen und Demokraten gibt als damals.“
© Jana K.