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Nofretetes Schönheit wurde gepriesen
Die Büste der Königin wurde 1924 erstmals in Berlin gezeigt – Lesung mit dem Globalhistoriker Prof. Conrad bei „Wissenschaft um 12“
Im Berliner Neuen Museum zieht Nofretete aus ihrer Glasvitrine heraus die Blicke bereits von weitem auf sich. Sie ist das einzige Exponat im Raum und raumfüllend. Von allen Seiten beäugen die Besucherinnen und Besucher die Büste der ägyptischen Königin. Sie sehen, dass die über 3500 Jahre alte Vorarbeit nur ein Auge aufweist, dass die Ohren angestoßen sind, ebenso der Kopfschmuck. Der Faszination der Büste tut dies aber keinen Schaden.
In den Bann der Königin begaben sich bei „Literatur / Wissenschaft um 12“ Ende November auch rund 50 Wissbegierige. Das Haus der Wissenschaft der Universität Siegen hatte zur Lesung mit dem Globalhistoriker Prof. Dr. Sebastian Conrad (FU Berlin) eingeladen. Dessen Sachbuch „Die Königin. Nofretetes globale Karriere“ war für den Sachbuchpreis 2024 und für den Sachbuchpreis des NDR nominiert. Die Veranstaltung in Siegen wurde vom Kunsthistoriker Prof. Dr. Christian Berger (Universität Siegen) moderiert.
Conrad: „Wir sprechen über eine Person, die vor sehr langer Zeit gelebt hat und die immer noch sehr aktuell ist.“ Dabei „gebe“ es Nofretete im Grunde genommen erst seit 100 Jahren. Im Jahr 1924 wurde ihre Büste erstmals in Berlin präsentiert und entpuppte sich sofort als Publikumsmagnet. Conrad: „Rund 3500 Jahre lang hatte sie niemand gesehen.“ Entdeckt worden war die Büste der Königin im Jahr 1912 vom Archäologen Ludwig Borchardt und seinem Team. Die Ausgrabungen in Amarna finanzierte der Mäzen James Simon, dem nach damaliger Absprache die Hälfte der bei den Grabungen gefundenen Exponate gehörte. Conrad: „Borchardt merkte sofort, welch einen Schatz er gefunden hatte.“
Die Ausstellung Nofretetes - zwei Jahre nach der Entdeckung des Grabes Tutanchamuns im Jahr 1922 durch den Briten Howard Carter und sechs Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs – war Balsam für das deutsche Selbstbewusstsein. Conrad: „Man konnte den Engländern etwas entgegensetzen“. Die Kommentare zum Exponat überschlugen sich von Beginn an. Conrad: „Nofretetes Schönheit wurde gepriesen.“ Das ist bis heute so geblieben. Conrad: „Sie entsprach dem Schönheitsideal der 1920er Jahre.“
Die Ehefrau von König Echnaton übte zu ihrer Zeit – rd. 1350 v. Chr. – selbst Macht aus. Echnaton ersetzte die Vielgötterei durch Monotheismus. Alleiniger Gott wurde Aton, Hauptstadt Ägyptens Amarna oder Achet-Aton. Etwa zehn Jahre lang dauerte diese „Revolution“, die nach dem Tod des Herrscherpaares rückabgewickelt wurde und in Vergessenheit geriet. Conrad: „Echnaton und Nofretete wurden aus den Königslisten getilgt.“ Aus heutiger Zeit wirkt ihre Regentschaft modern. Möglicherweise, so der Historiker, habe Nofretete ihren Gatten überlebt und sei alleinige Königin gewesen. Nach dem Fund eines Skeletts mit zertrümmertem Kopf, das auf der Basis von DNA-Spuren möglicherweise Nofretete zugewiesen werden kann, gebe es Vermutungen, die Königin sei ermordet worden.
Seit ihrer Präsentation im Jahr 1924 wird Nofretete von unterschiedlichen politischen Gruppen vereinnamt, auch von Feministinnen. Seit dieser Zeit gibt es Diskussionen um ihre Rückgabe an Ägypten. 1989 diente sie als Konterfei einer Briefmarke der Deutschen Post. Berlin macht mit Nofretete Marketing: „Berlin ist, wenn die schönste Bewohnerin Migrationshintergrund hat.“