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Literatur muss beim Schreiben schmerzen
Die Autorin Julya Rabinowich aus Wien war zu drei Lesungen zu Gast im Siegerland
Zwei Erzählstimmen gibt es im Roman „Spaltkopf“ von Julya Rabinowich – die der jungen Mischka und die des unsichtbaren Monsters, des Spaltkopfs. Die österreichische Autorin mit russischen Wurzeln beschreibt in ihrem Erstlingswerk die Ausreise ihrer Familie aus dem vormaligen Leningrad nach Wien und ihr ganz persönliches Ankommen im „Westen“. Die kunstschaffenden Eltern verraten der Tochter vor dem Abflug nicht, dass eine Reise ohne Rückkehr ansteht. Auch erfährt die Siebenjährige erst durch die Ablehnung ihres russischen Freundes, der plötzlich keinen Kontakt mehr zu ihr haben darf, dass sie einer jüdischen Familie zugehört. Ihr Roman bewegt sich deshalb zwischen drei Kulturen – der russischen, der jüdischen und der österreichischen.
Julya Rabinowich hat bereits als Kind und Jugendliche Schreiberfahrung gesammelt. Auf Wunsch der Eltern studierte sie Malerei. Erst ein unerwartet errungener Literaturpreis für einen Vorentwurf ihres Roman „Spaltkopf“ brachte sie endgültig zum Schreiben: „Danach konnte ich nie wieder aufhören zu schreiben“. In Wien arbeitet sie zudem als Kolumnistin und als Dolmetscherin für Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. Diese Arbeit und die damit verbundenen Erkenntnisse und Erfahrungen mündeten in ihrem jüngsten Roman „Der Geruch von Ruß und Rosen“.
Zu Gast in Siegen war die Autorin auf Einladung des Hauses der Wissenschaft zu einer öffentlichen Lesung im Aktiven Museum Südwestfalen, die von Dr. Jana Mikota moderiert wurde. Zudem las sie vor zwei zehnten Klassen des Gymnasiums am Löhrtor und arbeitete mit Studierenden. Der Aufenthalt in Siegen wurde finanziert aus Mitteln des Zukunftsfonds NRW für Maßnahmen gegen Antisemitismus.
Julya Rabinowich beschreibt wortgewaltig das Leben in beengten Verhältnissen in Leningrad und den Abschied im Familienkreis, der für Mischka zuerst nicht als Abschied erkennbar war. Erst im Flugzeug erfuhr sie zufällig, dass die Reise nicht in den Urlaub nach Litauen, sondern in ein neues Leben im Westen führen sollte. Die Verlockung der westlichen Lebensweise wurde ihr durch den Anblick einer Barbie schnell offenkundig. Lebendig berichtete sie im Rahmen ihrer Lesungen aus der ereignisreichen Familiengeschichte, die sich ihr erst allmählich erschloss. Antisemitismus hatte jede Generation in der Sowjetunion erfahren – durch Pogrome, zeitweiligen Ausschluss vom Studium oder Kontaktabbrüche. In Wien hatte sie lange Zeit das Gefühl, „angekommen zu sein“. Julya Rabinowich fühlt sich als Europäerin: „Allmählich wird im Kopf aber präsenter, möglicherweise woanders hingehen zu müssen“. „Literatur, die mich beim Schreiben nicht schmerzt, wird nicht intensiv“, hat sie erfahren. Julya Rabinowich schreibt in deutscher Sprache: „Russisch ist die passive Sprache geworden.“ Die „Stiefmuttersprache“ Deutsch sei die stärkere.